KATHARINA SCHLÄFT "Venedig in Wien" (31) © 2009, Sonja Hubmann

Währenddessen die Musikkapelle herzhaft und feierlich „God save the Queen“ intonierte, bestieg um Punkt acht Uhr der Botschafter mit Lady Rumbold samt Anhang die Ehrentribüne. Die Ingenieure Harry Hitchins und Robert Feilendorf übernahmen die Honneurs. Katharina und Markus bemühten sich redlich alle Details der einmaligen Zeremonie mit ihren Blicken zu erhaschen, hatten jedoch immer wieder Mühe durch die dicht gedrängten Körper ihrer Vordermänner und -frauen zu lugen. 

Trotz des zeitweiligen Rempelns und Schubsens konnten sie verfolgen wie Lady Rumbold einen Hammer aus der bereit gestellten Kassette befreite und die beiliegende Schraube mit ein paar herzhaften Schlägen symbolisch in den Eisenträger schlug. Abermals stimmte die Kapelle die englische Volkshymne an und Tausende Menschen nahmen wie auf ein stummes Kommando hin ihre Hüte andächtig ab. Erst als Chef-Ingenieur Hitchins die schlagkräftige Lady mit einem dreimaligen „hipp, hipp, hurrah“ hochleben ließ, folgte die Menschenmenge seinem Beispiel mit stürmischen Hurra-Rufen.

Markus und Katharina nützten die Gelegenheit, um sich schon etwas früher aus der Masse zu lösen. „Wohin gehen wir?“, erkundigte sie sich neugierig, da sie gerne noch etwas länger vor dem Riesenrad verweilt hätte. Markus erklärte ihr unterwegs, dass er zum Campo primo wollte, da dort die Festvorstellung mit Carl Maria Weber’s Jubel-Ouverture fortgesetzt werden würde. Katharina vertraute sich ihrem kundigen Führer an und heftete sich eiligen Schrittes an seine Fersen. Und tatsächlich. Auch hier wartete eine Fest-Loge auf die Ehrengäste, die schon bald auf dem Campo eintrafen. 

Abermals bereiteten die Bürger dem englischen Botschafterpaar einen tosenden Empfang und genau wie von Markus vorhergesagt, erklang die Jubel-Ouverture, die am Schluss in die englische Hymne „God save the Queen“ überging. Nachdem sich alle von den Sitzen erhoben und ihre Hüte in Ehrfurcht an die Brust gedrückt hatten, brachen sie nach dem Schlussakkord erneut in euphorische Hochrufe aus. Katharina faszinierte diese Massenhysterie. Es war ein erhebendes Gefühl inmitten all dieser strahlenden und glücklichen Gesichter zu stehen und sich mit ihnen über den feierlichen Moment zu freuen. 

Und als dann noch Willner’s gedichteter Festprolog von Hofschauspieler Max Devrient blumig und unterhaltsam vorgetragen wurde, erreichte die Stimmung einen neuerlichen Höhepunkt, namentlich an jenen Stellen, an denen Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph, der Königin Victoria und der Kaiserin Maria Theresia gedacht wurde. Als Abrundung gab es dann noch folkloristische Tänze aus England, Schottland und Irland, die nicht nur das Ohr des Publikums, sondern auch in hohem Maße das Auge der Anwesenden erfreuten. Auch eine Apotheose durfte nicht fehlen, in der die Völker, die unter dem Zepter der Königin Victoria lebten, gehuldigt und verherrlicht wurden. 

Das abwechslungsreiche Programm ging nahtlos in ein großes Konzert über. Der Männergesangsverein „Schubertbund“ bettete die kühle Atmosphäre der Abendluft mit wunderbaren Chorstimmen auf einen wohlig-warmen Klangteppich. Auch die nächste Attraktion versetzte die Zuhörer in höchstes Entzücken. Es handelte sich hierbei um einen charismatischen Schnauzbartträger, der sein begnadetes Können auf einem Waldhorn unter Beweis stellte. Katharina schmolz bei der virtuosen Darbietung förmlich dahin.

„Wie heißt der Mann?“, flüsterte sie Markus zärtlich ins Ohr. „Louis Savart“, gab er ebenso verhalten zurück, wobei seine Lippen fast Katharinas Wange berührten. Seine hübsche Begleiterin schluckte erregt und versuchte ihr starkes Herzklopfen zu bändigen, was ihr jedoch nicht so recht gelingen wollte. 

Da die beiden Konzertbesucher aber auch noch gerne sehen wollten, was auf dem zweiten Campo geboten wurde, mussten sie leider auf die „Traviata-Aufführung“ verzichten. Da man aber ohnehin nur einen Akt daraus zeigen wollte, hofften sie, dass sie dieses Opernversäumnis verschmerzen würden.

(Ende Teil 31 / Fortsetzung folgt …)

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