KATHARINA SCHLÄFT "El Che" (10) © 2009, Sonja Hubmann

Da Katharina jedoch nicht länger die Aufriss-Methoden ihrer besten Freundin kritisieren wollte, kam sie sofort zum Wesentlichen: „Wann sollen wir bei den Guevaras sein?“ Natalia blickte auf ihre Armbanduhr und grübelte: „Also, jetzt ist es kurz vor zwei Uhr, das bedeutet, wir könnten vielleicht so gegen drei dort sein?“ „Und wo wohnen die Guevaras?“, erkundigte sich Katharina neugierig. „Avenida Chile 288“, kam es wie aus der Pistole geschossen über Natalias weiche Lippen. „Und was machen wir in der Zwischenzeit?“, seufzte Katharina ratlos.

Natalia strich sich durch ihr kurzes, dunkles Haar und entschied spontan: „Ich muss leider noch nach Hause, aber wir treffen uns einfach direkt im Haus der Guevaras.“ Noch ehe Katharina diesen Vorschlag reflektieren konnte, hatte sich Natalia bereits mit einem flüchtigen Abschiedsgruß aus dem Staub gemacht. 

Na, ganz toll, dachte die alleine gelassene und immer noch verwirrte Schülerin. Sollte sie sich nun ebenfalls nach Hause begeben? Wo wohnte sie überhaupt? Die Straße links hinunter oder rechts hinauf? Gerade, als sie so hin- und herüberlegte, vernahm sie hinter sich plötzlich die Stimmen zweier Mädchen. Katharina wandte sich um. Es waren zwei Schülerinnen ihrer Klasse, eine schlank, schwarzhaarig und hübsch und die andere klein, bummelig und nicht wirklich attraktiv. 

Die Schönere der beiden spottete in Katharinas Richtung: „Schau mal, Carla, unsere Siebenschläferin ist aus ihrem Winterschlaf erwacht.“ Obwohl sich Katharina über diese freche Bemerkung ärgerte, versuchte sie ruhig zu bleiben. Als nun aber auch noch Carla ein paar kränkende Sätze fallen ließ, konterte Katharina gereizt: „Hab‘ ich euch irgendwas getan? Wenn ihr mich nicht leiden könnt‘, dann sagt mir das gefälligst ins Gesicht, klar?“ Die dickliche Carla trat dicht an Katharina heran und blickte ihr provokant in die Augen. Dann raunte sie zynisch: „Wir können Dich nicht leiden.“ 

Katharina war fassungslos über so viel Unverfrorenheit. Sie starrte ihr Gegenüber verdutzt an. Wie konnte dieser Fettkloß es wagen, so mit ihr zu reden? Carla drehte ihr triumphierend den Rücken zu und forderte ihre gutaussehende Busenfreundin auf: „Komm, Julieta. Gehen wir, bevor sie wieder in ihre Tiefschlafphase fällt.“ Julieta und Carla entfernten sich kichernd von ihrem sprachlos dastehenden Mobbing-Opfer, das den beiden völlig perplex nachstarrte. 

Irgendwie hatte Katharina das Gefühl eines „déja-vus“. Diese Beleidigungen hatte sie doch schon einmal gehört. Aber wann und wo? Auch, wenn ihr momentaner Gedächtnisschwund ziemlich tief zu sitzen schien, eines war absolut sicher: Diese beiden Lästermäuler gingen ihr nicht erst seit heute auf die Nerven.  

(Ende Teil 10 / Fortsetzung folgt)

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