KATHARINA SCHLÄFT "El Che" (17) © 2009, Sonja Hubmann
Ernesto steuerte indessen zielstrebig auf seinen Klassenkollegen Tomás Granado zu und schenkte diesem eine freundschaftliche Umarmung. Danach reichte er dem blonden Matías, der unweit der drei Mädchen saß, die Hand und schmunzelte: „Na, Matías? Du hast Dir schon den besten Platz ausgesucht, was?“ Der blonde Junge erwiderte den etwas provokanten Gruß und entgegnete ebenso erheitert: „Setz‘ Dich, du Rugby-Kanone. Beim nächsten Match machen wir euch bestimmt fertig.“, prophezeite er dem siegreichen Spieler, der mit einem entspannten Lachen konterte: „Ha, das sagst Du nach jeder Niederlage, aber wir sind jederzeit für eine Revanche bereit.“ Ernesto setzte sich an die seitliche Ecke des Tisches, ganz in die Nähe von Tomás, den drei Mädchen und Matías.
In diesem Moment betraten auch
wieder Celia und ihre Haushälterin das Esszimmer.
„So, ich habe das Fleisch ein bisschen dünner geschnitten, damit es für alle
reicht. Ich hoffe, die Portionen sind jetzt nicht zu klein geraten.“,
entschuldigte sie sich mit einem charmanten Lächeln. Herr Aguilar erwiderte
ihre Freundlichkeit und entgegnete: „Celia, ich bin ohnehin schon bis obenhin
satt. Gib doch lieber der Jugend etwas mehr.“ Er deutete dabei auf die drei Mädchen,
die um die hintere Ecke des Tisches gedrängt saßen. Katharina griff dankbar nach
der gereichten Speise, die aus gekochtem Rindfleisch, gedünstetem Gemüse und
Eiern bestand. Ihren Mate-Tee hatte sie bei dieser Gelegenheit etwas zur Seite
geschoben. Vielleicht würde ihn die freundliche Haushälterin ja einfach
abservieren.
Indessen ging die Unterhaltung bei Tisch munter weiter und Katharina erfuhr durch
aufmerksames Zuhören einiges über die Familie Guevara. So zum Beispiel erzählte
Herr Guevara nach einer neugierig gestellten Frage Natalias, bereitwillig von
seinen Vorfahren und natürlich auch von ihm selbst. Er hieß mit vollem Namen
Ernesto Rafael Guevara y Lynch und war der Sohn von Ana Isabel Lynch Ortiz und
Roberto Guevara Castro. Ana Isabels Eltern waren nach einer abenteuerlichen
Flucht aus Argentinien bis nach Kalifornien gelangt. Ihr Vater, Francisco Lynch
hatte sich nämlich geweigert in die Armee des argentinischen Diktators de Rosas
einzutreten. Francisco Lynch ließ sich in San Francisco nieder und heiratete
die junge Eloísa Ortiz, Ana Isabels Mutter. Nachdem die Familie dreißig Jahre
lang im Exil gelebt und ein kleines Vermögen angespart hatte, kehrten sie nach
de Rosas Sturz wieder nach Argentinien zurück.
Katharina versuchte sich alle erwähnten
Namen zu merken und der Familienchronik zu folgen. Natürlich gelang ihr dies
nur ansatzweise. Auch die Geschichte des anderen Familienzweiges, jenem von
Roberto Guevara, Ernesto Senior Guevaras Vater, mutete ziemlich abenteuerlich
an. Juán Antonio, Roberto Guevaras Vater, hatte ebenfalls aus politischen
Gründen Argentinien verlassen müssen und war als 25jähriger nach Kalifornien
ausgewandert, da man dort von sagenhaften Goldvorkommen berichtet hatte. Auch seine
Reise war gefährlich und entbehrungsreich gewesen. Leider jedoch blieb der
Goldsegen dem glücklosen Juán Antonio verwehrt und so kehrte auch er wieder
nach Argentinien zurück. Die Frau, die er geheiratet hatte war Concepción
Castro Peralta. Aus dieser Ehe ging somit Roberto Guevara hervor, Ernesto Seniors
Vater. So schloss sich der Kreis der etwas verwirrenden Ahnentafel wieder.
(Ende Teil 17 / Fortsetzung folgt)
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