KATHARINA SCHLÄFT "El Che" (20) © 2009, Sonja Hubmann

 

Noch ehe die beiden Jungs ihre kleine Konfrontation fortsetzen konnten, hatten sich die anderen Gäste jedoch wieder Celia und ihrem Mann zugewandt, die abwechselnd die ihnen gestellte Frage nach den Umständen ihres Kennenlernens beantworteten. „Wir haben uns damals in Buenos Aires getroffen …“, begann Ernesto Senior die Erzählung, „…und Celia hat damals wirklich süß ausgesehen.“ „Was heißt damals?“, protestierte seine immer noch sehr attraktive Frau keck. Ihr Mann korrigierte seine Aussage unter dem allgemeinen Schmunzeln der Anwesenden und meinte kleinlaut: „Du siehst natürlich immer noch sehr hübsch aus.“ 

Celia nickte geschmeichelt und setzte ihre Geschichte zufrieden fort: „Wir waren damals als wir 1928 geheiratet haben wirklich noch sehr jung, vor allem ich. Daher waren meine Geschwister nicht für diese Heirat.“, offenbarte sie die schmerzliche Wahrheit. „Was heißt, nicht dafür?“, grinste ihr Mann sarkastisch und ergänzte, „sie waren total dagegen, aber wohl in erster Linie, weil ich ihren katholischen Vorstellungen nicht entsprochen habe.“ Nun fügte auch Frau Aguilar ihren Kommentar hinzu: „Celia hat sich aber auch nie irgendwelchen Traditionen und Vorschriften unterworfen.“ Ernesto Senior seufzte nachdenklich: „Tja, solange unsere Beziehung eine rein freundschaftliche war, gab es ja auch keine Probleme. Die begannen erst, als wir beschlossen hatten, zu heiraten.“ Celia nickte: „Ja, das hat mich von meinen Geschwistern völlig entfremdet, aber ich bereue diesen Entschluss bis heute nicht.“, offenbarte sie mit gebührendem Stolz. 

Die etwas schmächtig wirkende, aber durchaus flinke Haushälterin begann allmählich den Tisch abzuräumen. Katharina schob ihren kaum berührten Mate-Tee möglichst unauffällig in die Nähe der eifrigen Bediensteten. Doch diese ignorierte das noch fast volle Teegetränk und schenkte stattdessen Ernesto einen undefinierbaren Blick. In diesem Augenblick erhob sich Herr Aguilar nun zum zweiten Mal an diesem Nachmittag und kündigte seinen Aufbruch an. Diesmal half Celias Protest aber nicht. Das Ehepaar bedankte sich für das köstliche Mahl, sammelte seine unzähligen Kinder ein und verließ bedächtigen Schrittes das gastfreundliche Haus. 

Katharina nützte den Moment der allgemeinen Unaufmerksamkeit und flüsterte Natalia ins Ohr: „Wer waren die beiden?“ Da Natalia darauf keine Antwort wusste, Ernesto aber Katharinas Frage mitgehört hatte, kam die Erklärung aus seinem Mund: „Wir kennen die Aguilars schon seit Alta Gracia. Dort waren sie gewissermaßen unsere Nachbarn und als wir vor ein paar Jahren hierhergezogen sind, folgten sie unserem Beispiel.“  Katharina bedankte sich mit einem schlichten „aha“ für diese Antwort, wobei sie ganz übersah, dass ihre fürsorgliche Gastgeberin den von Katharina so sträflich ignorierten Mate-Tee bis unter den Rand des Gefäßes aufgefüllt hatte. Die dunklen Augen des Mädchens weiteten sich erschrocken. Nein, bloß nicht. Nicht noch mehr von diesem abscheulichen Gebräu. 

Ernesto und die anderen noch Anwesenden schienen allerdings sehr froh über diesen Nachguß zu sein. Einzig und alleine Ernestos Mutter Celia genehmigte sich anstelle des nach Heu schmeckenden Tees eine brühheiße Tasse Kaffee. „Ich hatte in Misiones dermaßen viel Mate-Tee, dass ich irgendwann einmal genug davon hatte.“, gestand sie entschuldigend. Katharina blickte neidvoll und sehnsüchtig auf das aromatisch duftende, schwarze Getränk. Na bravo, Celia genoss ihren Kaffee und sie musste diesen grauenvollen Mate-Tee schlürfen. 

Zu allem Übel hatte sich die selbstbewusste Hausherrin nun auch noch eine stinkende Zigarre angezündet, mit der sie die Luft verpestete. Katharina versuchte jedoch so gut es ging die beißenden Rauchschwaden des blauen Dunstes zu ignorieren und richtete ihre unbedarfte Frage an die genüsslich paffende Mama Guevara: „Was ist Misiones?“

(Ende Teil 20 / Fortsetzung folgt)

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