KATHARINA SCHLÄFT "El Che" (21) © 2009, Sonja Hubmann

 

Aufgrund des wissenden Lächelns aller am Tisch versammelten Personen, war für Katharina klar, dass sie als einzige keinen blassen Schimmer vom Vorleben der Guevaras hatte. Celia begann schließlich offenherzig von der Mate-Tee-Plantage, die sie gemeinsam mit ihrem Mann in der Provinz Misiones angelegt hatte, zu erzählen: „Unser kleines Paradies lag zwischen Brasilien und Paraguay, zwischen den Flüssen Paraná und dem Uruguay.“ Ernesto Senior übernahm sofort schwärmerisch das Wort und schilderte die Schönheit dieser Gegend, angefangen vom subtropischen Klima, über den dichten Urwald mit seiner unvergleichlichen Flora und Fauna, bis hin zu den wasserreichen Flüssen, die sich rauschend und plätschernd ihren Weg nach Osten bahnten. Herr Ferrer kniff kurz die Augen zusammen und überlegte: „Hm, war nicht auch der französische Gelehrte Bonpland in diesem Landstrich unterwegs?“ 

„Ja, er war ebenso fasziniert von dieser naturbelassenen Pracht wie Alexander von Humboldt.“, ergänzte Herr Guevara mit glänzenden Augen. Katharina hatte sich diesen herrlichen Landstrich gerade in ihrer Fantasie ausgemalt und bestätigte nun lächelnd: „Ja, das klingt wirklich nach dem absoluten Paradies.“ Ernesto Senior begann diese idyllische Darstellung nun aber etwas zu relativieren: „Na ja, abgesehen von den Stürmen, die es immer wieder gab.“ „Und den endlosen Regenfällen.“, brummte seine Frau begeisterungslos. 

Ernesto Senior rückte seine dicke Brille zurecht und senkte andächtig den Kopf: „Erinnere mich bitte nicht daran. Dieser Hurrikan damals, der war wirklich die schlimmste Wetterkapriole, die ich jemals erlebt habe. Sogar unser damaliger Nachbar im Dschungel, Mister Moore, hatte Angst gehabt.“ „Ja, dieser Sturm war wirklich schlimm, aber die Stechmücken kamen gleich danach.“, berichtete Celia von den lästigen Insekten. Frau Ferrer, die diese Erzählung offensichtlich kannte, versuchte sich nun im Detail zu erinnern: „Wie hießen diese Biester noch? Pique und wie noch?“ „Es gab die Mbarigüi“, erläuterte Ernesto Senior, „die sogar durch die feinen Maschen der Moskitonetze gedrungen sind und dann waren da noch die Ura, die uns fast in den Wahnsinn getrieben hätten.“ 

Seine Frau Celia schenkte ihrem Sohn Ernesto einen schmunzelnden Blick und wandte sich wieder an ihren Mann: „Weißt Du noch, wie unser Kindermädchen Carmen Arias den kleinen Tété vollkommen eingepackt hat, damit er von diesen Insekten nur ja nicht gestochen werden konnte?“ Ernesto Senior lachte amüsiert auf und schilderte ausführlich die immer wieder kehrenden Attacken der Stechmücken. Katharina verspürte allmählich einen kribbelnden Juckreiz am ganzen Körper, den sie mühsam zu unterdrücken versuchte. Es würde bestimmt keinen guten Eindruck hinterlassen, schon gar nicht bei Matías, wenn sie sich plötzlich wie wild zu kratzen begänne. 

Katharina lenkte sich mit einem konzentrierten Blick auf den von Rissen durchzogenen Plafond ab, über den just in diesem Augenblick eine kleine Spinne wanderte. Igitt, auch nicht besser als die Erzählung von den Mbarigüi und den Ura. Sie fühlte wie sich ihre Fingernägel in die Haut ihrer Oberschenkel krallten und langsam auf und ab bewegten. Nein, nicht kratzen, suggerierte sie sich und klammerte sich an ihren bis dato so verschmähten Mate-Tee, an dem sie nun in fast todesmutiger Verzweiflung zu nippen begann.  

(Ende Teil 21 / Fortsetzung folgt)

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