KATHARINA SCHLÄFT "El Che" (23) © 2009, Sonja Hubmann

 

Diesen kurzen Moment der Unachtsamkeit, hatte Celia aber genutzt, um dem sympathischen Mädchen eine weitere Tasse Tee einzuschenken. „Nein, ich …“, wollte Katharina diese freundliche Geste noch höflich abwehren, aber zu spät. Die gelblich-grüne Flüssigkeit war bereits unaufhaltsam in das Gefäß geronnen. Matías, der das innere Dilemma der Mate-Tee-Verweigerin mitbekommen hatte, lächelte ein wenig schadenfroh, entschärfte seine Reaktion dann aber durch ein mitleidiges Augenzwinkern. 

Katharina versuchte immer noch alle Widrigkeiten wie Mate-Tee und Zigarrenrauch zu ignorieren und formulierte eine weitere Frage: „Wenn das Haus direkt an einem Fluss war, gab es da nicht manchmal Hochwasser?“ Ernesto Senior rief die gewünschte Information aus seinem Gedächtnis ab: „Nun ja, unser Haus lag auf einer kleinen Anhöhe, aber etwas unterhalb war der Paraná an die 600 Meter breit.“ Während Katharina versuchte, sich diese Distanz vorzustellen, warf Celia begeistert ein: „Dafür konnte man dort aber hervorragend schwimmen.“ „Erinnere mich bloß nicht daran“, verdrängte ihr Mann jeglichen Gedanken daran, „mit Deinen Schwimmaktionen hast Du uns immer in Angst und Schrecken versetzt.“ 

Das Ehepaar Ferrer schmunzelte. Ganz offensichtlich waren ihnen diese Horror-Schwimm-Geschichten bestens bekannt. Celia verteidigte jedoch gegenüber ihren jungen Gästen ihre Haltung: „Aber die Strömungen im Paraná kannte ich doch in und auswendig.“ „Ha“, lachte Ernesto Senior nun provokant auf, „wenn Dir die Guaraní-Indianer damals keine Liane zugeworfen hätten, um Dich aus den Fluten zu retten, würdest Du heute nicht hier sitzen.“ Uneinsichtig konterte die immer noch an ihrer Zigarre paffende Celia: „Ich hätte es auch alleine wieder herausgeschafft. Angst hatte ich damals jedenfalls keine.“ „Das hat Deine Aktionen ja immer so gefährlich gemacht, zum Beispiel in Mar de Plata. Das ist für uns alle ein ziemlicher Schock gewesen …“, erinnerte er sich mit düsterem Blick und wandte sich an Katharina, „… jedes Mal, wenn ich Celia vor einer Gefahr gewarnt habe, hat sie es wie zum Trotz dennoch getan.“ 

Nun bekundete auch Frau Ferrer ihr Interesse an der Erzählung, die ihr offensichtlich noch fremd war. Celia zuckte jedoch belanglos die Achseln: „Mein Mann übertreibt wieder einmal maßlos.“, beschwichtigte sie mit dem Lächeln eines unschuldigen Engels. Neugierig geworden, hakte nun auch Matías nach: „Was war in Mar de Plata?“ Ernesto Guevara Lynch richtete sich in seinem Stuhl auf und begann mit seiner Schilderung: „Es war ein ziemlich stürmischer Tag und die ausgeflaggte Fahne am Strand warnte vor den hohen Windgeschwindigkeiten auf See, aber Celia und ihr Bruder Jorge wollten es offenbar trotzdem wissen. Sie haben alle Warnungen ignoriert und sind einfach aufs Meer hinausgeschwommen. Ich weiß nicht, wie lange die beiden da draußen herumgestrampelt sind, aber es kam uns wie eine Ewigkeit vor. Am Strand herrschte ein ziemliches Tohuwabohu. Ernestito hatte schon befürchtet, dass seine Mutter in den Fluten ertrinken würde und die Bademeister waren ebenfalls ziemlich aufgebracht über den Leichtsinn der beiden, aber na ja – irgendwie haben Jorge und Celia es dann doch noch völlig erschöpft an Land geschafft.“

„Es war deshalb schwierig an Land zu kommen, weil wir jedes Mal wieder von der starken Strömung aufs offene Meer mitgerissen wurden.“, ergänzte Celia fast ein wenig trotzig, so als wollte sie ihre Handlung von damals rechtfertigen. Herr Ferrer tröstete schmunzelnd seinen Freund Ernesto: „Aber mittlerweile hast Du Dich doch an Celias Aktionen gewöhnt, oder?“ Der passionierte Teetrinker entgegnete etwas geknickt: „Ja, an die von Celia schon, aber Ernesto scheint diese Unvernunft leider geerbt zu haben. Mit dem hatten wir auch unsere liebe Not, weil er sich nie um irgendwelche Gefahren gekümmert hat.“ 

(Ende Teil 23 / Fortsetzung folgt)

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