KATHARINA SCHLÄFT "El Che" (9) © 2009, Sonja Hubmann


Aufgrund einer über den Gang gespannten Banderole, erkannte Katharina, dass sie sich soeben im Mädchenlyzeum von Córdoba befand. Dies war doch bestimmt nicht ihr erster Tag an diesem Gymnasium. Weshalb aber hatte sie dann das Gefühl, dass sie hier fremd war? Sie trottete gemeinsam mit ihrer Freundin Natalia nach draußen. 

Vor dem Gebäude wiederholte ihre schlanke Schulkollegin die Frage von vorhin: „Kommst Du mit?“ Katharina musterte sie mit großen Augen: „Ich weiß nicht“, drückte sie herum, „bin ich denn eingeladen?“ Natalia lachte amüsiert auf: „Bei den Guevaras braucht niemand eine Einladung. Die haben immer ein offenes Haus für alle. Aber, wenn es Dich beruhigt, Ernestos Schwester Celia hat mich eingeladen und gemeint, ich könnte gerne noch eine Freundin mitbringen.“ Katharina schluckte etwas perplex. 

Ernesto? Celia? Sollte sie die beiden etwa kennen? Sie wagte angesichts ihrer Erinnerungslücken eine vorsichtige Frage: „Wer ist Ernesto?“ Natalia sah sie vorwurfsvoll an und knurrte etwas ungehalten: „Scheinbar interessiert Dich mein Liebeskummer überhaupt nicht. Ernesto ist der heißeste Typ der ganzen Schule. Ich schwärme schon seit Tagen von ihm, aber offenbar hörst Du mir überhaupt nicht zu. Er ist zwei Klassen über uns und macht gerade sein Abitur. Wir haben ihn doch letzte Woche erst auf dem Rugbyplatz gesehen. Daran erinnerst Du Dich wohl hoffentlich, oder?“

„Ja, ja“, stammelte Katharina verwirrt ohne die geringste Ahnung zu haben, wovon Natalia gerade gesprochen hatte. Ihre Schulfreundin klopfte ihr aber versöhnlich auf die Schulter: „Na ja, ich verstehe ja, dass Dich Ernesto nicht wirklich interessiert. Das kommt vermutlich daher, weil Du nur Augen für Matías hast.“ Schon wieder ein Name, mit dem Katharina nichts anzufangen wusste. Matías? Wer in aller Welt war das denn? Da sie sich jedoch nicht gänzlich vor ihrer besten Freundin blamieren wollte, scherzte sie verschmitzt: „Na bitte, das erklärt doch meine Erinnerungslücken, oder?“ 

Sie wartete gespannt auf die Reaktion ihrer Schulkollegin, die nach einer kurzen Gedenkpause abermals ins Schwärmen geriet: „Er ist so süß“, seufzte Natalia, „aber ich weiß nicht genau, wie ich an ihn herankommen soll. Er ist manchmal so abweisend. Vielleicht liegt es aber auch an seiner Krankheit.“, vermutete sie nachdenklich. „Krankheit?“, wiederholte Katharina das letzte Wort. Natalias dunkle Augen blitzten abermals leicht verärgert auf: „Ernesto leidet an Asthma. Das weiß doch die ganze Schule!“ Katharina hob die Brauen und bemühte ihr schauspielerisches Talent: „Ach, diese Krankheit meinst Du“, flunkerte sie, „ja, dass er Asthma hat, weiß ich natürlich.“, winkte sie erleuchtet ab und hoffte, dass Natalia ihre übertriebene Reaktion nicht durchschaute. 

Um einer neuerlichen Frage zu entgehen, ging Katharina zum Angriff über und fasste die Absichten ihrer Freundin kühl zusammen: „Das heißt, Du willst jetzt über seine Schwester an ihn herankommen?“ Natalia schüttelte energisch den Kopf: „So wie Du das sagst, klingt das total berechnend, aber ich finde Celia echt nett. Sie ist offenherzig und hilfsbereit und sie hat Humor …“ „… und einen Bruder, in den Du verknallt bist.“, vollendete Katharina den Satz. Natalia kniff ertappt ihre havannabraunen Augen zusammen: „Na und? Das ist halt ein netter Nebeneffekt, mehr nicht.“

(Ende Teil 9 / Fortsetzung folgt)


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