KATHARINA SCHLÄFT "El Che" (31) © 2009, Sonja Hubmann

 

Im Erdgeschoss hatte sich die Gesellschaft bereits aufgelöst. Celia de la Serna informierte ihren ältesten Sohn über den Verbleib der verschwundenen Gäste: „Dein Vater musste noch einmal ins Büro ins Stadtzentrum, da sein Architekten-Partner angeblich seine Hilfe bei irgendeinem Projekt benötigt, na ja …“, zweifelte sie offensichtlich an dieser Version, „… und die Ferrers sind auch schon nach Hause gegangen. Was habt ihr noch vor?“, wollte die schlanke Schwarzhaarige wissen. Ernesto warf seiner Schwester Celia, die gerade zur Türe hereingekommen war, einen auffordernden Blick zu und antwortete schließlich: „Wir fahren zu einer Party.“

„Zu welcher Party?“, hinterfragte Ernestos Mutter stirnrunzelnd. Ernesto brummte etwas ungehalten: „Das habe ich dir doch schon vorhin gesagt.“ Um die Antwort des genervten Jugendlichen aber nicht in eine Diskussion ausarten zu lassen, fügte Matías harmlos lächelnd hinzu: „Zu den Hartmanns. Das sind Freunde meiner Familie.“ „Deutsche?“, wollte Celia mit argwöhnischem Blick wissen. Matías bejahte mit einem kurzen Nicken, was sofort die nächste Frage generierte: „Nazis?“ 

Der Blondschopf versuchte sein inneres Amusement über das Vorurteil, dass offenbar alle Deutschen entweder Nazis oder Juden sein müssten, zu verbergen und beruhigte die sonst so tolerante Sozialistin: „Nein, sie sind bereits 1941 aus Hitler-Deutschland geflohen. Keine Nazis!“, betonte Matías mit Nachdruck. Für Celia war dies Antwort genug. Mit einem freundlichen Lächeln erkundigte sie sich jedoch weiter: „Wohnen diese Hartmanns hier in der Nähe?“ Ernesto wiegte den Kopf hin und her und zuckte harmlos die Schultern: „Es sind nur ein paar Blocks, in der Calle Manuel Belgrano, aber wir nehmen trotzdem die Catramina.“ 

Katharina hob die Brauen. Wer oder was war denn die Catramina? Die Erklärung dafür erhielt sie jedoch postwendend, als Ernestos Mutter energisch ablehnte: „Nein, diese alte Klapperkiste wirst Du nicht fahren. Wenn dein Vater wüsste, dass Du schon heimlich Auto fahren geübt hast, würde er Dich umbringen.“ Ernesto lächelte jedoch frech: „Nein, würde er nicht.“ 

Celia de la Serna Guevara hatte sich aber gegen ihren Sohn durchgesetzt und so marschierte die Partie zu dem ominösen Gefährt namens „Catramina“. Katharinas Augen weiteten sich beim Anblick dieses dem Auseinanderfallen nahen Schrotthaufens, der geduldig in der Garage auf seinen großen Einsatz wartete. Das Mädchen schluckte etwas verängstigt. In diesen Blechhaufen sollte sie einsteigen? Sie versuchte die Dinge aber positiv zu sehen und ergatterte einen Sitz neben Matías, der absolut nichts gegen diese intime, durch den akuten Platzmangel bedingte Nähe einzuwenden hatte. 

Natalia hatte mit Ernesto weniger Glück. Er durfte als einziger auf dem begehrten Beifahrersitz thronen. Die Fahrt selbst war dann aber ein eher unromantisches Schaukeln, Rattern, Quietschen, Qualmen und Ächzen, aber die alte Catramina hatte ihre Fahrgäste nach wenigen Minuten wohlbehalten ans Ziel gebracht. 

(Ende Teil 31 / Fortsetzung folgt)

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