KATHARINA SCHLÄFT "El Che" (39) © 2009, Sonja Hubmann


In dieser Sekunde unterbrach ein etwas dickliches, aber durchaus selbstbewusstes Mädchen das Gespräch der beiden Männer. Katharina erkannte in ihr jene junge Frau, die zuvor Ernesto zum Tanzen überreden hatte wollen. Diesmal versuchte sie ihr Glück bei dem schlanken Anton, der wider Erwarten dieser Einladung prompt Folge leistete und mit ihr nach draußen verschwand. Katharina schüttelte fassungslos den Kopf: „Das glaube ich jetzt nicht“, empörte sie sich, „zuerst labbert uns der Typ voll und tut so, als gäbe es nichts Wichtigeres als Politik und jetzt geht er einfach tanzen?“ 

Matías amüsierte sich über die künstliche Erregung seiner jungen Begleiterin und hinterfragte mit einem Schuss Ironie: „Hättest Du Dich denn noch gerne länger mit ihm unterhalten?“ Katharina musste nun ebenfalls lachen und schubste Matías zärtlich von der Lehne des Fauteuils. Der blonde Junge richtete sich lächelnd auf und ergriff sanft ihre Hand. Sein Gesichtsausdruck wurde wieder etwas ernster: „Dich langweilen solche Gespräche, stimmt’s?“, versuchte er sich umständlich für seine Dauerunterhaltung mit Anton zu entschuldigen. Katharina schüttelte zaghaft den Kopf. Unter dem Eindruck seiner wohlig-warmen Berührung stammelte sie: „Nun, es ist nicht die Politik, die mich langweilt, sondern in diesem Fall war es dieser Typ!“ Matías entzog seine Hand vorsichtig der ihren und zeigte abermals Verständnis für den armen Anton: „Na ja, er hatte es bestimmt nicht leicht in seinem Leben und wollte vermutlich nur reden.“

Katharina erhob sich behutsam von ihrem bequemen Sitz und versuchte nun das hartherzige Bild, das Matías von ihr haben musste, wieder zurechtzurücken. Außerdem wollte sie vor ihm auch nicht als politisch komplett uninteressiert dastehen. Sie erkundigte sich daher ziemlich unromantisch nach der momentanen politischen Lage in Argentinien und welche Haltung Matías gegenüber Perón vertrat. Der charismatische Blondschopf strich sich nachdenklich über sein sonnengebräuntes Gesicht und antwortete etwas kryptisch: „Da bin ich ziemlich auf der Linie von den Guevaras.“

„Äh, und wie ist diese Linie?“, hakte sie mit leichtem Stirnrunzeln nach. Ihr politisch wesentlich gebildeteres Gegenüber informierte Katharina freundlich: „Also, ich weiß, dass Ernestos Vater Mitglied der Organisation „Acción Argentina“ war und versucht hat, die Nazis, die sich hier in Córdoba niedergelassen hatten, auszuspionieren.“ Katharina zeigte sich einmal mehr verwundert: „Gibt es denn hier so viele Nazis?“ Matías wiegte den Kopf zur Seite und meinte verhalten: „Könnte man so sagen, zum Beispiel in Lokalitäten wie La Falda oder La Cumbrecita. Dort gab es während des Krieges eine Menge Nazi-Sympathisanten. Hitler hatte ja schon damals, während des Krieges, Nazi-Zellen in Argentinien aufgebaut.“ Katharina versuchte angestrengt die geschichtlichen Zusammenhänge zu verstehen: „Und das argentinische Volk war auf Seiten der Alliierten?“ 

Matías nickte: „Ja, ich glaube, ein bisschen etwas mit dieser Anti-Deutschen Haltung hatte wohl auch Guernica zu tun.“ Das unbedarfte Mädchen bekam bei dem Wort „Guernica“ abermals einen leicht belämmerten Gesichtsausdruck. Obwohl sie sicher war, diesen Namen schon einmal gehört zu haben, wusste sie jedoch nichts damit anzufangen. Ihr Unterbewusstsein tippte auf ein Gemälde, irgendeine Art Kunstwerk. Da sie aber keine Ahnung hatte, wiederholte sie mit fragendem Blick das Wort „Guernica“ und hoffte auf eine aufschlussreiche Erklärung, die zum Glück nicht lange auf sich warten ließ.

„Die Legion Condor, also eigentlich Soldaten der NS-Reichsluftwaffe haben diesen Angriff am 26. April 1937 gegen Guernica geflogen. Ich glaube, bis heute weiß kein Mensch, weshalb ausgerechnet diese unbedeutende Kleinstadt bombardiert worden war.“ Katharina atmete kurz durch. So, so, Guernica war also eine Stadt. Warum nur, verband sie diesen Namen dann aber mit einem Bild?

(Ende Teil 39 / Fortsetzung folgt)

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