KATHARINA SCHLÄFT "El Che" (43) © 2009, Sonja Hubmann

 Diesmal war es Celia, die bereits etwas heiserer schimpfte: „Das ganze Geld kam aus meiner Erbschaft. Du hast alles, was Du begonnen hast in den Ruin geführt.“ Ernesto Senior konnte diese Anschuldigung jedoch nicht so ohne weiteres auf sich sitzen lassen. Ebenso erzürnt konterte er: „Das stimmt doch überhaupt nicht.“ „Und die Mate-Plantage?“, lautete der nächste Vorwurf, „ohne mein Geld hättest Du dieses Stück Land doch überhaupt nicht kaufen können.“ Abermals wehrte sich der stimmgewaltige Hausherr: „Was kann ich dafür, dass die Wirtschaftslage plötzlich so schlecht war? Außerdem warst Du doch auch dafür. Du wolltest schließlich aus Buenos Aires weg!“ 

„Ja, und warum? Weil ich bereits schwanger war, bevor wir geheiratet haben, falls Du Dich daran erinnern kannst.“, brüllte Celia energisch und musste nun ihrerseits die hämische Bemerkung ihres Mannes einstecken: „Ich kann mich sehr gut daran erinnern, aber es war Deine Idee, Hals über Kopf abzureisen.“ „Du hattest ja überhaupt keinen Plan“, knurrte sie erbost. Ernesto Senior protestierte lautstark: „Doch, ich wollte mit der Mate-Teeplantage für uns eine neue Existenz aufbauen.“ „Hat ja super geklappt.“, entgegnete Celia sarkastisch. 

Katharina versuchte indessen unbemerkt in Richtung Ausgang zu gelangen. Einerseits wollte sie zwar so schnell wie möglich wieder nach draußen gelangen, andererseits aber wurde sie von ihrem Wissensdrang zurückgehalten. Sie postierte sich so, dass sie jederzeit flink nach draußen huschen konnte, wartete aber noch ein Weilchen, da nun wieder Ernesto Seniors sonore Stimme den Raum erzittern ließ: „Wenn Du mit Ernestito nicht schon vor unserer Heirat schwanger gewesen wärst, hätten wir nicht so schnell aus Buenos Aires we müssen.“ 

Celia wurde nun trotz ihrer Heiserkeit wieder etwas lauter: „Ach, jetzt ist es meine Schuld, dass ich schwanger geworden bin?“ „Nein, aber es wäre besser gewesen, wenn wir zuvor geheiratet hätten. Das mit Ernestitos gefälschter Geburtsurkunde war immerhin auch Deine Idee.“, hielt er ihr zornig vor. „Schrei noch lauter, damit es gleich alle wissen“, maßregelte ihn Celia und fügte um einige Dezibel leiser hinzu, „Du warst doch damit einverstanden, oder? Was macht es denn schon aus, ob er jetzt im Juni oder Mai zur Welt gekommen ist? Wie bitteschön hätte ich meinen Eltern denn eine voreheliche Schwangerschaft erklären sollen? Die Erbschaft hätte ich dann bestimmt nicht gerichtlich zugesprochen bekommen.“ 

Katharina hatte trotz der geringeren Lautstärke jedes Wort verstanden. Sie konnte kaum glauben, was sie da soeben gehört hatte. Ernesto war nicht im Juni, sondern im Mai zur Welt gekommen und wusste gar nichts davon? Sie war fassungslos. Hatte Ernesto auf der Party nicht gesagt, er würde am 14. Juni seine Geburtstagsparty geben? Ja, hatte er. Tatsächlich war er aber im Mai zur Welt gekommen? Sie rief sich noch einmal das heutige Datum in Erinnerung. 14. Mai. Sein Geburtstag wäre demnach also heute. 

Katharinas Gedankengänge wurden jedoch sofort wieder von der Fortsetzung der Diskussion seiner Eltern unterbrochen: „Ja, ja, die Erklärung mit dem Siebenmonatsbaby war ja um so vieles besser. Deine Mutter hat uns das bis heute nicht abgekauft.“, lästerte Ernesto spöttisch. „Sie hat kein Wort gesagt.“, verteidigte sich Celia stur, was ihr Mann jedoch sofort wieder entkräftete: „Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie nichts mitbekommen hat. Deinen Eltern war ich doch noch nie gut genug, aber das willst Du natürlich nicht hören.“ „Will ich auch nicht. Im Übrigen war damals die Idee nach Rio Paraná zu gehen die einzige Möglichkeit für uns.“, konterte Celia trotzig. 

Katharina vernahm nun energische Schritte aus dem oberen Stockwerk. Offenbar bewegten sich die beiden Streithähne in einen anderen Raum. Das Mädchen griff geschockt zur Türschnalle. Da die Guevaras aber wieder zum Stehen gekommen waren, verharrte sie regungslos in ihrer Position und verfolgte weiterhin das Gespräch der beiden. Diesmal hatte Ernesto Senior wieder eine Begebenheit aus der Vergangenheit ausgegraben: „Wenn Du Ernestito an diesem unheilvollen Tag nicht so schändlich vernachlässigt hättest …“, begann er seinen Vorwurf. 

Celia schnitt ihm aber aufbrausend das Wort ab: „Jetzt fang bloß nicht wieder damit an! Ich habe mir deswegen schon genug Vorwürfe gemacht. Dieser Schwimmausflug hat sein Asthma bestenfalls ausgelöst, aber es war keineswegs die Ursache. Nimm‘ das endlich zur Kenntnis.“ „Das Einzige, was ich zur Kenntnis nehme ist, dass diese heimtückische Krankheit der Anfang vom Ende unserer Ehe war.“, wetterte ihr Mann mit hörbarer Verbitterung. Celia konnte diese Anklage jedoch nicht so einfach hinnehmen: „Ach, jetzt ist Ernesto auch noch am Scheitern unserer Beziehung schuld? Es sind wohl eher Deine Affären …“, hielt sie ihm gekränkt vor. 

Für Katharina war dies nun entgültig das Signal zum Aufbruch. Unbemerkt schlich sie aus dem Haus der Guevaras und näherte sich mit verwirrtem Gesichtsausdruck dem immer noch um die alte „Pedorra“ schleichenden Matías. Er erkundigte sich neugierig: „Was war denn bei den Guevaras los? Das klang ja nach einem ziemlich heftigen Streit.“ Katharina versuchte möglichst gelassen zu wirken und meinte achselzuckend: „Ich hab‘ nur meine Weste geholt und nicht genau mitbekommen, worum es ging.“, log sie ausweichend. Zum Glück gab sich ihr galanter Begleiter mit dieser Aussage zufrieden. 

(Ende Teil 43 / Fortsetzung folgt)

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