Irgendwie erinnerten
sie seine weichen Gesichtszüge an jemanden, den sie kannte, aber ihr wollte
beim besten Willen nicht einfallen, an wen. Katharina bedankte sich verlegen:
„Es geht schon. Ich wollte mich mit einer Freundin treffen, glaube ich.“ „Sie glauben?“, forschte der elegant gekleidete Junge und blickte ihr dabei
noch tiefer in die Augen. Katharina versuchte trotz ihres eng sitzenden Mieders
durchzuatmen und hob zu einem neuerlichen Erklärungsversuch an: „Also, ich bin
mir nicht mehr ganz sicher, ob wir uns jetzt vor dem Eingang treffen wollten
oder drinnen beim Riesenrad!“, gestand sie ihr inneres Debakel.
„Das ist allerdings ein kleiner Unterschied, zumal sich heute vor dem Riesenrad
bestimmt viele Menschen einfinden werden.“, vermutete Markus. „Ja, ich hab gelesen, dass heute das Jubiläumsfest für die englische Königin
statt finden wird.“, rief sie sich das Plakat von vorhin in Erinnerung. Der junge
Mann dachte ganz offenbar über eine Lösung des Problems nach und hakte behutsam
nach: „Um wieviel Uhr wollten Sie Ihre Freundin treffen?“
Katharina schluckte
mit leerem Blick. Um wieviel Uhr? Ja, das war eine gute Frage. Irgendwie schoss
ihr plötzlich die Zahl 6 durch den Kopf, die sie dann auch spontan nannte. Der
adrett gekleidete Gentleman wiederholte die angegebene Uhrzeit und fand es nun
an der Zeit, sich bei der hübschen Lady offiziell vorzustellen: „Gestatten,
mein Name ist Markus Friedmann“
„Ähm, sehr erfreut, ich heiße Katharina. Katharina Schwarz.“, vervollständigte
sie ihren Namen etwas zögerlich.
Markus Friedmann ließ seine hellblauen Augen
zwischen dem verwirrten Mädchen und dem Eingangsportal hin und her schweifen,
bis er ihr schließlich seinen wohlgemeinten Vorschlag unterbreitete: „Also,
wenn Sie erlauben, dann würde ich Sie gerne einladen.“ „Nein, danke, das müssen Sie nicht. Ich zahle meinen Eintritt schon selbst!“,
antwortete sie selbstbewusst, obgleich sie natürlich nicht wusste, wie sie die
fehlenden Kreuzer aufbringen sollte.
Ihr galanter Verehrer lehnte aber
kategorisch ab und begründete dies mit einem guten Argument: „Mademoiselle
Katharina, mich kostet der Eintritt gar nichts. Ein sehr guter Bekannter meines
Vaters, Herr Ludwig Gottsleben, gibt heute Nachmittag da drinnen eine
Vorstellung. Ich würde Sie gerne dazu einladen.“ Katharina lächelte verlegen
und wollte den jungen Mann, der sich so um sie bemühte, nicht abweisen. Geschmeichelt
über so viel Höflichkeit und Charme willigte sie schließlich ein. Er bot ihr seinen
Arm als Geleit an und schritt mit ihr durch den großen Rundbogen.
Sie betraten tatsächlich das Tor in eine andere Welt. Vor ihnen tat sich eine
zauberhafte Lagunenstadt auf, die von smaragdfarbenen Baumriesen umringt war,
deren dichtes Blätterdach sich erhaben über die Giebel der Paläste breitete.
Katharina stockte für einen Moment der Atem so fasziniert war sie von der
architektonischen Sinfonie aus venezianischen Bogenfenstern, Erkern und
Balkonen.
Zudem roch es herrlich nach dem saftig-frischen Grün der umliegenden
Wiesen, in denen kleine Palmen und Farne ihr exotisches Flair verbreiteten. Aber
auch die blühenden Ziersträucher am Wegesrand entfalteten ihr angenehmes
Bouquet. Die beiden „Venedig-Reisenden“ erklommen eine steinerne Treppe, die sich
zwischen zwei prunkvollen Palästen nach oben schlängelte. Markus und Katharina
erreichten eine hochgewölbte, venezianische Stiegenbrücke, von der aus sie über
einen der vielen Kanalarme blicken konnten. Das darin gefangene Wasser wand
sich auf der einen Seite aus einem schmalen Gässchen und verschwand einige
Meter weiter flussabwärts unverhofft hinter einem prunkvollen Palazzo.
„Unglaublich!“, staunte Katharina und konnte ihren Blick von dem künstlich
geschaffenen Kanal kaum wenden. „Es gibt noch mehr zu sehen.“, lächelte Markus geheimnisvoll und führte die
beeindruckte Mademoiselle auf der anderen Seite der Treppe wieder nach unten.
(Ende Teil 12 / Fortsetzung folgt …)
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