KATHARINA SCHLÄFT "Venedig in Wien" (13) © 2009, Sonja Hubmann

 

Nun betraten sie einen malerischen Platz mit schmuckvollen Loggien, deren gotische Spitzbögen und Balustraden florentinisches Flair versprühten. Zwischen diesen vornehmen Palästen versteckten sich aber auch blumengeschmückte, heimelige Holzhäuschen, deren kleine Fenster bescheiden mit bunten Vorhängen verhüllt waren. 

Katharina konnte sich an der dargebotenen Farbenpracht kaum satt sehen. In einem zierlichen Beet leuchteten blutrote Rosen; auf einer ebenerdigen Terrasse reihten sich blassrosa Azaleen an die tiefblauen Blüten des Rittersporns; vor einem offenen Balkonfenster wiegten schneeweiße Kamelien ihre Köpfchen hin und her; und überall in der nachempfundenen Dogenstadt waren verspielte Wasserstraßen angelegt, auf denen echte Gondolieri ihre venezianischen Boote durch das tiefblaue, nahezu wellenlose Wasser manövrierten. 

Links und rechts dieser idyllischen Flüsse gab es immer wieder von Palmen gesäumte Palazzi und originalgetreu gestaltete Osterias. Katharina betrachtete die Szenerie mit großen, interessierten Augen. „Wundervoll!“, staunte sie abermals über die exotische Pracht, die sich hier mitten in Wien entfaltete.  „Sie sind zum ersten Mal hier?“, vermutete Markus. Katharina nickte, während sich die beiden durch eine kleine Menschenansammlung auf der Promenade drängelten. 

Erst jetzt fiel ihr ein, dass Markus doch eigentlich vorgehabt hatte, mit seiner Freundin aus dem Kaffeehaus hierher zu kommen. Sollte sie ihm diese intime Frage vielleicht stellen? Nein, das wirkte möglicherweise zu aufdringlich, andererseits … Noch ehe ihr Gehirn einen Entschluss fassen konnte, hatte ihre Zunge schon die Worte gebildet und Schwupps war die neugierige Frage auch schon etwas verlegen gestellt: „Ähm, Verzeihung, aber wollten Sie nicht mit Ihrer Verlobten hierherkommen?“ 

Markus lächelte verschmitzt und zuckte belanglos die Schultern: „Ach, Sie meinen Agatha? – Nein, sie ist nicht meine Verlobte, obwohl ich manchmal den Eindruck habe, sie wäre es gerne. Na ja, wir hatten einen kleinen Disput und jetzt hat sie sich mit einer Freundin getroffen.“ Da Katharina nicht recht wusste was sie auf so viel Offenheit antworten sollte, lenkte sie das Thema einfach wieder auf den Vergnügungspark: „Diesen Park gibt es wohl schon länger, oder?“, erkundigte sie sich ins Blaue hinein, da ihr jegliches Erinnerungsvermögen daran fehlte. 

Markus entschuldigte ihr Nichtwissen mit ihrer augenscheinlichen Jugend: „Sie sind noch recht jung, Mademoiselle Katharina…“ „Ich bin 15!“, korrigierte das kleine Fräulein stolz. Markus konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen, ehe er seine Antwort gab: „Also, den Park gibt es seit zwei Jahren und jedes Jahr kommen neue Attraktionen hinzu. Heuer ist es das Riesenrad …“ „… das zu Ehren der englischen Königin errichtet worden ist.“, ergänzte Katharina, die endlich mal mit etwas Wissen glänzen wollte. Doch Markus‘ Gesichtsausdruck verriet ihr, dass sie damit leider nicht ganz richtig lag. „Nun ja“, begann er seine Erklärung, „genau genommen wurde es anlässlich des 50. Thronjubiläums unseres Kaisers errichtet.“ Abermals wagte Katharina eine zögerliche Ergänzung: „Franz Josef I.?“ 

Diesmal stimmte ihre Annahme. Gerade als Markus weiterreden wollte, marschierte die uniformierte Musikkapelle der Deutschmeister im Gleichschritt an ihnen vorüber. Die feschen Burschen wollten mit ihren ohrenbetäubenden Blasinstrumenten augenscheinlich die Parkbesucher mit dem italienischen Zapfenstreich erfreuen, was jedoch aufgrund der Lautstärke nicht bei allen auf Begeisterung stieß. Während einige der Anwesenden in kleine Seitenwege flüchteten, warteten Katharina und Markus tapfer, bis die gutgelaunte Truppe an ihnen vorübergezogen war. 

Endlich konnte Markus nun wieder das Wort ergreifen: „Wenn die Musik nur nicht immer so laut wäre, würde sie mir ja ganz gut gefallen, aber um auf unser Gespräch von vorhin zurückzukommen. Das Thronjubiläum unseres Kaisers ist zwar erst im nächsten Jahr, am 02.12.1898, aber zu diesem Zeitpunkt sollte dieses Unikum ja bereits funktionstüchtig sein.“ Er deutete dabei auf das eiserne Gerüst des hoch aufragenden Riesenrades, das Katharina gebannt fixierte.  

(Ende Teil 13 / Fortsetzung folgt …)

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