KATHARINA SCHLÄFT "Venedig in Wien" (17) © 2009, Sonja Hubmann

 „Wie heißt Ihr Lieblingskomponist?“, wollte Markus schließlich ohne Vorwarnung wissen. Katharina hatte zwar den Eindruck, dass ihr die eine oder andere Komposition, die hier dargeboten wurde, bekannt vorkam, aber wer jetzt was geschrieben hatte, entzog sich komplett ihrer Kenntnis. Sie antwortete daher so diplomatisch wie möglich: „Nun, es gibt so viele hervorragende Komponisten, dass ich mich gar nicht auf einen einzelnen kaprizieren möchte, aber ich liebe schwungvolle Walzer.“ 

Noch ehe Markus ihren Musikgeschmack kommentieren konnte, stellte sie ihm sofort die Gegenfrage: „Haben Sie denn einen bevorzugten Komponisten?“ Markus nickte mit Wehmut: „Ja, ich finde Johannes Brahms einfach wunderbar. Nur zu schade, dass er nichts mehr komponieren wird.“ Katharina wunderte sich über diese Aussage: „Wieso wird er nichts mehr komponieren?“ Ihr musikinteressierter Begleiter löste das Rätsel mit einem kurzen Satz: „Er ist tot.“ „Oh“, kam es etwas perplex über Katharinas Lippen, „wann ist er denn gestorben?“  Markus sah sie mit leichtem Erstaunen an und gab willfährig Auskunft: „Die Leichenbestattung war dieses Jahr, am 6. April. Mich verwundert allerdings, dass Ihnen dies gar nicht zu Gehör gebracht worden ist. Immerhin fanden sich namhafte Hoheiten an dem Leichenzuge ein.“ 

Katharina nahm diesen unterschwelligen Vorwurf schweigend hin und ärgerte sich innerlich über ihre Unwissenheit. Ihr charmanter Begleiter quittierte dies aber sofort mit einem kleinen Ablenkungsmanöver: „Das Kleid, das Sie tragen steht Ihnen ausgesprochen gut. Haben Sie es selbst geschneidert?“ Schon wieder schwankte das Mädchen zwischen den verschiedensten Gefühlen, denn einerseits empfand sie dieses Kompliment als sehr schmeichelhaft, andererseits überlegte sie, ob sie tatsächlich schneidern konnte. 

Diplomatisch antwortete sie daher einfach nur: „Oh, danke, ich trage dieses Kleid sehr gerne, obgleich es vielleicht ein bisschen zu eng geraten ist.“ Sie griff sich dabei in ihre schlanke Taille und atmete tief ein. Markus enthielt sich nun aber eines weiteren Kommentars, da er augenscheinlich immer mehr Gefallen an der jungen Mademoiselle fand und nicht zu aufdringlich erscheinen wollte. Abgesehen davon musste er feststellen, dass er durch das viele Reden und das etwas ziellose Flanieren durch die Parkanlage mit den geschwungenen Kanälen ein wenig die Orientierung verloren hatte. 

Jedenfalls standen sie plötzlich vor einem mit venezianischen Motiven bemalten Gebäude, das mit der Aufschrift „Glas Mosaik Fabrik“ die Besucher zum Verweilen im Inneren einlud. Neugierig geworden, betrat Katharina ehrfurchtsvoll das Gebäude, in dem es eine Vielzahl gläserner Kunstwerke zu sehen gab. Markus, der ihr notgedrungen folgen musste, begutachtete nun gemeinsam mit ihr die feinen italienischen Marmorstatuen, die Florentiner Mosaike, sowie die liebevoll gestalteten Spiegel und Gläser. 

„Wunderschön“, lobte sie die Fayence- und Bronzearbeiten, die sich ihr hier offenbarten. Markus erinnerte sich in diesem Moment daran, dass es theoretisch ganz in der Nähe noch einen anderen Ort geben müsste, von dem er annahm, dass er Katharina bestimmt gefallen würde: „Im Haus des Tintoretto kann man das Kunsthandwerk der Arbeiter und Arbeiterinnen von Murano sehen. Dort gibt es herrliche Glasmosaike.“, frohlockte er mit sanfter Stimme und, obwohl Katharinas Füße schon ein paar unangenehme Bläschen aufwiesen, wollte sie sich dieses Erlebnis nicht nehmen lassen. 

Nach einem kleinen Zick-Zack-Umweg hatten sie ihr Ziel schließlich erreicht und Katharina bewunderte auch dort die angebotenen Waren und hatte wirklich Mühe, ihren Blick von all den hübschen Dingen wieder abzuwenden. Da sie aber unbedingt auch noch das Riesenrad aus der Nähe sehen wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich von den handwerklichen Schätzen zu verabschieden. 

Nachdem Markus nun wieder zur Gänze die Orientierung gefunden hatte, war es nach wenigen Minuten des gemütlichen Spazierengehens endlich soweit: Sie standen vor dem monströsen Stahlbau, unter dem sich schon eine stattliche Menschenmenge gebildet hatte. Alle warteten auf den feierlichen Moment, der an diesem Abend stattfinden sollte. Noch herrschte allerdings die sprichwörtliche Ruhe vor dem eigentlichen Besucheransturm, der in wenigen Stunden einsetzen sollte. 

„Mademoiselle Katharina, würden Sie hier kurz auf mich warten? Ich hole uns noch ein Erfrischungsgetränk von dort drüben.“, bat Markus sie um ein wenig Geduld. Obwohl Katharina aufgrund der kühlen Witterung zwar nicht nach einer zusätzlichen Erfrischung zumute war, nickte sie zustimmend. Sie war froh, sich nicht in die Menschenschlange stellen zu müssen, die sich vor dem Restaurant Français, das sich nur wenige Meter vom Riesenrad entfernt befand, gebildet hatte. Sie lauschte somit von draußen den entfernten Klavierklängen des heiteren Potpourris von Carl List. 

(Ende Teil 17 / Fortsetzung folgt …)

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