KATHARINA SCHLÄFT "Venedig in Wien" (20) © 2009, Sonja Hubmann

Aber etwas lag ihr dennoch auf dem Herzen, als sie die Fläche hinter dem immens hohen Stahlgerüst begutachtete: „Und bevor man mit dem Bau des Riesenrads begonnen hat war das hier einfach nur eine grüne Wiese?“ Markus hob die Brauen und musterte seine unwissende Begleitung: „Sagen Sie bloß, Sie haben den Turm von Murano noch nie gesehen?“ Katharina schenkte ihm einen erbosten Blick. Woher sollte sie denn wissen was hier alles gestanden hat, wo sie doch heute zum ersten Mal hier war? 

Markus hatte jedoch sofort ihren verhaltenen Groll bemerkt und versuchte nun das soeben Gesagte charmant zu entschärfen: „Na ja, Sie haben in Ihrem Leben vermutlich wichtigere Dinge zu tun.“ Katharina ließ diesen Entschuldigungsversuch ausnahmsweise gelten, erinnerte sich aber daran, dass sie das Wort „Murano“ in einem anderen Zusammenhang schon einmal gehört hatte. „Turm von Murano“, sinnierte sie und rief sich noch einmal die Glaskunstwerke, die sie kurz zuvor begutachtet hatte, in Erinnerung, bis sie schließlich triumphierend ausrief: „Murano-Glas!“ 

Markus nickte amüsiert: „Ja, genau“, lächelte er und ergänzte: „in diesem Turm konnte man den Glasbläsern bei ihrem Handwerk zusehen. Das war immer höchst interessant.“
„Wirklich beeindruckend!“, staunte Katharina. Ihr attraktiver Begleiter stimmte zu und ließ seinen ausgestreckten Arm einen horizontalen Halbkreis vollführen: „Ja, das ganze Areal hier ist überwältigend.“ Katharina folgte seiner Handbewegung und ließ ein gehauchtes „Faszinierend!“ fallen und noch im selben Atemzug wunderte sie sich eher rhetorisch: „Ich frage mich, wie man überhaupt auf so eine geniale Idee kommt?“ 

Offensichtlich dachte Markus, wenn sie sich selbst etwas fragte, dann müsste er darauf nicht antworten, aber Katharina ließ nicht locker: „Sie haben vorhin den Namen Gabor Steiner erwähnt. Ist er für dieses ganze „Venedig in Wien“ verantwortlich?“ Irgendwie begann Markus die Wissbegierde der jungen Mademoiselle zu gefallen. Er lächelte und fühlte sich nun eher geschmeichelt denn genervt und gab bereitwillig sein Wissen preis: „Nun, angeblich war es so, dass Steiner 1894 in London die Großausstellung „Venice in London“ besucht hatte. Vermutlich kam daher seine Inspiration. Aber ohne seinen Architekten Oskar Marmorek, der schon drei Jahre zuvor in der Theaterausstellung ‚Alt-Wien‘ großes Gespür für derartige Fantasiegebilde bewiesen hatte, würde es diese gelungene Variation der venezianischen Dogenstadt so nicht geben.“, berichtete er angeregt. 

Katharina lauschte seinen Worten aufmerksam, wollte aber noch ein bisschen mehr erfahren: „Wann genau wurde dieser Park dann eröffnet?“ Markus schmunzelte augenzwinkernd: „Zum Glück habe ich ein gutes Zahlengedächtnis, um Ihnen auch diese Frage beantworten zu können. Das war am 22. Mai 1895, also vor ungefähr zwei Jahren, obwohl einige der gemalten Prachtgebäude bei der Ausstellungseröffnung noch nicht ganz fertig waren, aber mittlerweile ist ja einiges geschehen.“ 

Katharina stimmte kopfnickend zu und stieß nun eine verhaltene Vermutung aus: „Das muss ein Vermögen gekostet haben!“ „In der Tat. Direktor Steiner hatte große Schwierigkeiten das Projekt zu verwirklichen. Da waren zunächst einmal die hohen Pachtkosten und die Genehmigungen, die man ihm anfangs nicht erteilen wollte. Aber Gabor Steiner hat nicht aufgegeben. Er wollte diesen Bau unbedingt und so konnte er den Autor Ignaz Schnitzer, von dem übrigens die Operette Zigeunerbaron stammt, für sein Ansinnen gewinnen. In der Folge schlossen sich noch andere Förderer an und somit verdanken wir diese Attraktion all jenen, die zum Gelingen dieses Vergnügungsparks beigetragen haben.“

(Ende Teil 20 / Fortsetzung folgt …)

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