KATHARINA SCHLÄFT "Venedig in Wien" (21) © 2009, Sonja Hubmann

Genau gegen Ende dieses Satzes eilte zielgerichtet ein etwas echauffiertes Mädchen, das so um die 15 Jahre alt sein musste, auf die beiden zu. Die hübsche Mademoiselle hatte jedoch einige Probleme, sich in ihrem langen, fliederfarbenen Kleid, das sich eng an ihren schlanken Körper schmiegte, vorwärts zu kommen. Ihr aufgestecktes rosa Hütchen wackelte bei jedem Schritt etwas unmotiviert hin und her, was sie zu ignorieren schien. In ihrer Hand schwang sie ein weißes Schirmchen, das wohl eher als Accessoire dienen sollte, da der Himmel zwar etwas bewölkt, aber frei von Regentropfen war. 

Sie blieb schließlich direkt vor Katharina stehen und konfrontierte sie sogleich mit zügellosen Vorwürfen: „Katharina, wo warst Du? Ich habe eine halbe Stunde im Kaffeehaus auf Dich gewartet! Wir wollten uns doch dort um 11 Uhr treffen. Was war los?“ Katharina starrte das etwas außer Atem geratene Mädchen zunächst verwundert an, konnte sich dann aber doch dunkel daran erinnern, dass es sich bei dieser temperamentvollen Person, deren Namen ihr gerade entfallen war, um ihre beste Freundin handeln musste. 

Katharina begann mit ihrem entschuldigenden Erklärungsversuch und stammelte: „Äh, also, das war so: Ich war im Café Central und da ist mir plötzlich etwas schwindlig geworden und ich dachte, dass wir uns vielleicht vor dem Riesenrad …“ Ihre Freundin winkte aber mit einem erleichterten Lächeln ab: „Ach was, egal, kein Problem. Jetzt haben wir Dich ja gefunden.“. Sie wandte sich nach ihrer männlichen Begleitperson um, die sich mit bedächtigem Schritt genähert hatte. 

Der stattlich gekleidete Mann hatte scheinbar Katharinas letzten Satz mitgehört und sorgte sich mit ernster Miene: „Ich hoffe, Sie haben keinen bösen Bazillus erwischt.“ Katharina schüttelte energisch den Kopf: „Nein, bestimmt nicht!“ Nun meldete sich auch Markus zu Wort, der dieser spontanen Begegnung bisher nur stumm gelauscht hatte: „Man sollte dennoch immer auf die Zeichen seines Körpers hören. Schwindelgefühl und Übelkeit können schlimme Vorzeichen sein. Momentan wüten die Masern in Wien.“ 

Katharina, die dies zunächst noch für einen Scherz gehalten hatte, wurde aber auch von dem seriös wirkenden Anzugträger darauf hingewiesen, dass es außer der Masern-Epidemie auch noch andere Krankheiten gab: „Meine Tochter Emilie hatte Glück, dass sie vor ein paar Monaten nicht an der Diphteritis verstorben ist.“ Er deutete auf das lebenslustige Mädchen an seiner Seite, das diese unschöne Erinnerung sichtlich vergessen wollte: „Ach was, jetzt geht es mir ja wieder gut.“ 

„Emilie“, wiederholte Katharina geistesabwesend und war dankbar für diese Namensnennung, während ihr Begleiter Markus themenbezogen den Blick senkte und sich schwermütig erinnerte: „Erst vor zwei Monaten ist meine Tante dem Keuchhusten erlegen. Das war schrecklich!“ 

Nachdem die vier ein paar Sekunden betroffen geschwiegen hatten, erfolgte eine kurze Vorstellungsrunde, aus der hervorging, dass Emilies Vater „Franz Lechner“ hieß und Markus den Nachnamen „Friedmann“ trug. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln, angedeuteten Handküssen, Verbeugungen und Knicksen, beschlossen die vier nun gemeinsam durch den sich immer mehr mit Menschen füllenden Park zu promenieren.

(Ende Teil 21 / Fortsetzung folgt …)

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